Ein Podcast zum Thema «Genauigkeit», in dem ganz genau gefragt wird, welchen Stellenwert Genauigkeit in der wissenschaftlichen Erkenntnisproduktion hat. In einer Reise durch die Welt von Stromzählern und Statistiken, von literarischen Korrekturen und dem dokumentarischen Schreiben hin zur Marcel Duchamps Infragestellung des Urmeters; mit einem präzisen Blick auf die Figur des Pedanten, auf Waldvermesser und darauf, wie ein blinder Historiker eine Geschichte der Menschheit schrieb. Entstanden im Rahmen des SNF-Synergia-Projekts «Medien der Genauigkeit», ein interdisziplinäres Forschungsvorhaben, verantwortet von Ralph Ubl, Kunstgeschichte, Universität Basel, Alexander Honold, Neuere deutsche Literatur, Universität Basel, Monika Dommann, Geschichte der Neuzeit, Universität Zürich und Markus Krajewski, Geschichte und Theorie der Medien, Universität Basel. www.genauigkeit.ch
(16) Was ist ein Amanuensis? Der Historiker, Medien- und Kulturwissenschaftler Mario Wimmer erklärt, wie es dem bekanntesten Historiker des 19. Jahrhunderts möglich war, mit den Händen und Augen seiner Hilfsassistenten zu arbeiten. Daran schliessen sich Fragen nach geistigem Eigentum und intellektueller Arbeit an, die nicht zuletzt in unserer Gegenwart computergestützter Textproduktion neue Relevanz erlangen.
(15) Wie bewerteten Forstwissenschaftler des 19. Jahrhunderts Waldnutzungspraktiken im Hinblick auf Nachhaltigkeit? Die Medienkulturwissenschaftlerin Lisa Cronjäger gibt einen Einblick in historische Techniken der Forsteinrichtung und ihre internationale Verbreitung. Das Ziel einer nachhaltigen Forstverwaltung, zukünftige Holzerträge genau berechnen zu können, ging mit sozialen Konflikten einher.
(14) Was verraten die frühesten Schweizer Filme über ihre eigenen Entstehungsbedingungen? Eine ganze Menge, weil sie zwischen rigoroser Inszenierung und unvorhersehbaren Störungen operieren. Der Filmwissenschaftler David Bucheli erklärt, wie man diese 125-jährigen Aufnahmen als ihre eigenen Making-ofs lesen kann und warum der erste Filmregisseur der Schweiz in seinen eigenen Filmen zu entdecken ist.
(13) Kann Geschichte berechnet werden? Macht der Computer historiographische Arbeit genauer? Darüber wurde in den 1960er Jahren in der Geschichtswissenschaft heftig debattiert. Antonia von Schöning spricht über eine umstrittene Studie, die mit computergestützten Verfahren eine Geschichte der Sklaverei unternimmt, und erklärt, warum wir digitale Quellenkritik brauchen.
(12) Wenig gelitten und oft abschätzig beschrieben, zieht der Pedant für gewöhnlich keine grosse Sympathien auf sich. Umso wichtiger erscheint sein systemischer Stellenwert in der Produktion von Wissen, wo er an der Grenze zwischen etabliertem Kenntnisstand und innovativen Einsichten patroulliert, stets darauf bedacht, die Innovation als unliebsamen Eindringling in die gehegten Bezirke des gesicherten Wissens zurückzuweisen. Markus Krajewski lotet die erkenntnisstiftende ebenso wie die erkenntnishemmende Funktion der Pedanterie in der Geschichte der Wissenschaften aus einer historischen und systematischen Perspektive aus.
(11) Genauigkeit ist eng mit der Geschichte der Bilder verbunden: sowohl in der Wiedergabe von Gegenständen wie auch als Eigenschaft von künstlerischen Mitteln wie feinen Linien, polierten Oberflächen oder farbtreuen Monitoren. Welche Bedeutung aber hat die Genauigkeit für die Kunst der Moderne, die als Ausdruck von Subjektivität verstanden werden möchte? Sie ist einer «Genauigkeit der Einbildungskraft» verpflichtet, die zum Einspruch gegen die Schlampigkeit der Tradition, zur ernsthaften Prüfung der eigenen Mittel und zur Selbstkorrektur in der Selbsterkundigung ermuntert. Sie führt aber auch über die subjektive Dimension hinaus zu den Techniken und Prozessen, die die moderne Kunst mit der Mediengeschichte verbinden.
(10) Warum lässt ein Künstler die Spuren seiner Korrekturen (sogenannte „Pentimenti“) im finalen Zustand eines Gemäldes sichtbar? Die Kunsthistorikerin Larissa Dätwyler geht der ursprünglichen Bedeutung solcher „Reuezüge“ nach und erklärt anhand der Überarbeitungsverfahren des Malers Henri Matisse, wie Pentimenti sowohl zur präzisen Selbstbeobachtung als auch zur rhetorischen Beweisführung dienen.
(9) Wie könnte ein künstlerischer Urmeter aussehen und was würde es abmessen? Die Kunsthistorikerin Aurea Klarskov spricht über Marcel Duchamps künstlerisches Experiment mit drei geschwungenen, vom Zufall geformten Metermassen. Diese Arbeit, die Trois Stoppages Étalon, ist die ironische, aber künstlerisch ernst gemeinte Antwort auf das Urmeter.
(8) Einleitende Gedanken zum Verhältnis von Genauigkeit und Kunst, insbesondere in der Malerei, mit einem besonderen Fokus auf die Bedeutung des künstlerischen Prozesses bei der Entstehung eines Kunstwerkes, und wie dieser auch dokumentiert wird, mit Ralph Ubl, Professor für Kunstgeschichte, und den Kunsthistorikerinnen Aurea Klarskov und Larissa Dätwyler.
7) Über die Frage, was ein Text genau bedeutet, lässt sich bekanntlich gut streiten. Doch was passiert, wenn Autorinnen und Autoren im 20. Jahrhundert selbst ihre Texte erklären und ihre Interpretationen mit Arbeitsmaterialien aus der eigenen Schublade dokumentieren? Lucas Knierzinger spricht über die Entwicklung solch dokumentarischer Verfahren, ihre unterschiedlichen Formate, ihren ästhetischen Reiz und geht der Frage nach, warum Peter Weiss seine Notizbücher publiziert, Bertolt Brecht seine Theaterstücke abfotografieren lässt und Heiner Müller gar nicht ungerne Interviews gibt. Mit Ausschnitten aus: Brecht probt Galilei. 1955/56. Ein Mann, der keine Zeit mehr hat. Originaltonaufnahmen Ausgewählt und kommentiert von Stephan Suschke. Mit einem musikalischen Feature von Joachim Werner. Berlin: speak low 2020; Heiner Müller MP3. Tondokumente 1972–1995. Herausgegeben von Kirstin Schulz. Berlin: Alexander Verlag 2011.
(6) Die Selbstkorrektur als literarisches Stilmittel der Moderne dient nicht einzig dazu, Fehler zu beseitigen; im Gegenteil, sie hinterlässt sogar Spuren. Aus literaturwissenschaftlicher Sicht und anhand von Textbeispielen aus dem Werk von Robert Walser skizziert Pascal Noirjean mögliche Funktionen von Selbstrevisionen im Kontext der Frage nach Genauigkeit.
(5) Was kann Genauigkeit für die Literatur bedeuten? Können dafür überhaupt verbindliche Standards definiert werden? In Sprache und Schrift geht es um möglichst präzise Ausdrucksformen; in der Literatur meist um die Entwicklung eines Darstellungsprozesses, der seine Genauigkeitsstandards aus sich selbst heraus entwickeln muss. Alexander Honold, Lucas Knierzinger und Pascal Noirjean gehen diesen Fragen mit unterschiedlicher Akzentsetzung nach und beleuchten Aspekte literarischer Genauigkeit im zwanzigsten Jahrhundert.
(4) Die Konjunkturbeobachtung entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts als wissenschaftliche Praxis zur Voraussicht und Vorbeugung unliebsamer wirtschaftlicher Entwicklungen. Die Historikerin Marion Ronca erklärt, wie in der Schweiz wirtschaftspolitische Ziele, die Verschwiegenheit der Wirtschaft und Fehlprognosen dazu beitrugen, dass sich die Praxis letztlich zu einer staatlichen Aufgabe etablierte.
(3) Der Historiker Jonas Schädler beschreibt, welche Geschichten er hinter der schwarzen Abdeckung des Stromzählers aufgespürt hat. Von der Bastelei eines Mechanikers über die industrielle Produktion bis hinein in den Keller jedes Haushalts – zusammengenommen lässt sich daraus eine Geschichte von Vertrauensbildung, Konsumkontrolle und unserem Alltag mit Strom erzählen.
(2) Die Historikerinnen Monika Dommann und Marion Ronca sowie der Historiker Jonas Schädler, alle drei Autor*innen im Teilprojekt «Zahl», erzählen, wie sie es ganz persönlich und als Historiker:innen mit der Genauigkeiten halten und blicken zurück in die Geschichte von naturwissenschaftlichen Genauigkeitsvorstellungen und ihren Auswirkungen auf den Staat, die Verwaltung und die Wirtschaft von den wissenschaftichen Revolutionen im 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart.
(1) Worum es im Projekt «Medien der Genauigkeit» geht - ein paar Statements von Ralph Ubl, Professor für Kunstgeschichte, Universität Basel, Monika Dommann, Professorin für Geschichte der Neuzeit, Universität Zürich, von Alexander Honold, Professor für Neuer deutsche Literatur, Universität Basel, und von Markus Krajewski, Professor für Geschichte und Theorie der Medien, Universität Basel.